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Kantine: Mit neuen Konzepten zurück zum Erfolg

Einstmals gab es in dem meisten Düsseldorfer Unternehmen mit wenigstens dreistelliger Belegschaft kaum eines, das keine Kantine unterhielt, um das leibliche Wohl inhouse zu garantieren. Diese Zeiten sind in den meisten Betrieben jedoch längst passé. Die Firmenkantine, so scheint es, ist vielfach ebenso ein Relikt der unternehmerischen Vergangenheit wie Wählscheibentelefone, steile Hierarchien und Kellergeschosse, gefüllt mit staubigen Aktenordnern. Tatsächlich kann jedoch gerade in der heutigen Zeit die Kantine ein erfolgreiches Revival feiern.

Warum die Kantine starb

Betriebsrestaurant statt Kantine
Ein modern arbeitendes und aussehendes Betriebsrestaurant kann sehr gut funktionieren, Foto: stock.adobe.com © BullRun

Mitarbeitende in den Frühstücks- und Mittagspausen effizient mit Speisen und Getränken zu versorgen, ohne dass diese dafür das Firmengelände verlassen müssen, ist ein völlig zeitloser und nachvollziehbarer Grundgedanke. Doch warum erlebte das Konzept dann einen solchen Absturz? Dazu zunächst einige Daten: 2019 gab es hierzulande noch gut 14.000 Firmen mit Kantine, von denen 9.000 von im eigenen Hause kochten. Jedoch gaben im selben Jahr bei einer Forsa-Umfrage nicht weniger als 64 Prozent der Befragten an, niemals in einer Kantine zu essen. Wie die Zeiten sich ändern. Im Westdeutschland der 1950er waren es noch gut 60 Prozent, die nahezu täglich in einer solchen Einrichtung speisten. Doch warum dieser dramatische Sinneswandel, der so weit ging, dass wohl jeder Leser mit dem weitverbreiteten, sehr negativ konnotierten Begriff Kantinenfraß etwas anfangen kann – sofern nicht schon der originäre Begriff Kantine bei ihm negativ behaftet ist? Nun:

  • Veränderte Essenszeiten: Für immer mehr Menschen zählt das Abendessen inzwischen zur warmen Hauptmahlzeit. Mittags werden daher deutlich häufiger, wenn überhaupt, (kalte) Snacks bevorzugt – paradoxerweise hatte der einstige Trend zum kalten Abendbrot direkt mit dem Aufstieg der Kantine zu tun.
  • Mehr Individualität: Die Geschmäcker wurden deutlich vielfältiger. Das beißt sich mit dem notgedrungen wenig vielfältigen Angebot in Kantinen klassischer Prägung.
  • Qualität: Verkocht, über- oder unterwürzt, zu viele Geschmacksverstärker, zu fettig, geringwertige und wenig frische Zutaten – die Kritikpunkte an der Qualtät von Speisen in der Kantine sind vielfältig. Dies deckt sich mit einem stark gestiegenen Ernährungsbewusstsein breiter Bevölkerungsschichten.

Hinzu kommen noch Veränderungen in zwischenmenschlichen Beziehungen und der Arbeitswelt. Viele machen kaum noch eine vollwertige Mittagspause abseits des Arbeitsplatzes. Und wenn, dann wollen sie diese oftmals nicht in einem großen, unattraktiven Raum inmitten dutzender oder gar hunderter Kollegen verbringen. Manches hiervon war unvermeidbar. Anderes haben viele Kantinen jedoch über die Jahre selbst „gekocht“ – etwa durch einen zu starken Fokus auf schnelle Massenabfertigung mit Fast-Food-Klassikern zwischen Jägerschnitzel und Currywurst.

Gute Chancen für moderne Konzepte

Dabei hätte gerade heute eine gute Kantine echte Chancen. Dafür sollten jedoch einige Grundvoraussetzungen erfüllt sein.

  1. Sie passt zum unternehmerischen Grundgedanken flacher Hierarchien durch Vermischung der Belegschaft.
  2. Sie gestattet eine Steuerung der Mitarbeitergesundheit und -zufriedenheit durch leckeres, gesundes Essen.
  3. Sie ermöglicht es, den Arbeitsplatz als angenehmen Ort zu empfinden, an dem man sich gerne aufhält, und den Arbeitgeber als jemanden, der für sein Team sorgt.
  4. Sie kann effektiv die steigende Einsamkeit gerade unter jüngeren Menschen vorbeugen.
  5. Sie entlastet Mitarbeiter, weil das Thema Kochen nach Feierabend wegfallen kann.

Nicht zuletzt muss gerade in einer Zeit steigender Preise eines beachtet werden: Ein günstiges, aber dennoch hochwertiges Kantinenessen kann für viele Mitarbeiter eine spürbare Entlastung bedeuten. Obendrein können Gelder im Wirtschaftskreislauf eines Unternehmens verbleiben, statt zu örtlichen Gasthäusern, Bäckereien und ähnlichen Etablissements abzufließen.

Damit das alles allerdings gelingt, müssen zumindest die folgenden Punkte erfüllt werden. Ihr zentraler Wesenskern: Eine moderne Kantine muss sich viel mehr als ein größeres Restaurant verstehen. Bloß mit einer weitgehend auf die Belegschaft reduzierten Gästeschar.

1. Der Name muss weg

Es mag zwar per Definition eine Kantine sein. Der Begriff ist heute jedoch buchstäblich „verbrannt“ und erzeugt selbst bei Gutwilligen zu schnell das innerliche Bild von besagtem Kantinenfraß und allen anderen Negativa, die mit dieser Form der Verköstigung assoziiert werden. Egal ob man es modern-nüchtern „Betriebsrestaurant“ nennt oder eine andere Bezeichnung verwendet: durch die Umbenennung ergeben sich neue Chancen.

2. Das Schalterhallen-Ambiente muss ebenfalls weg

An einer Wand ein langer Tresen, vor dem sich die Mitarbeiter stauen. Der Rest ein großer Raum, bei dem gähnende Leere nur durch viele Sitzgruppen „Tisch und vier Stühle“ und eventuell einige Topfpflanzen als Abtrennung verhindert wird. Und über allem die Geräusche einer großen Menschengruppe beim Essen. Auch dieses typische Kantinen-Klischee muss weichen. Fraglos wird es nicht ohne einen großen Raum und einen Innenarchitekten gehen. Unbedingt muss es jedoch gelingen, für viel mehr Gemütlichkeit zu sorgen. Im Zweifelsfall sollten jedoch stets der generelle architektonische Stil und nicht zuletzt das Corporate Design des eigenen Hauses die zentralen Leitfäden vorgeben. Nur eines ist firmenübergreifend: Alle Mitarbeiter sollen sich wirklich darauf freuen, ihre Pausen in diesem Ambiente zu verbringen.

3. Das Essen muss hochwertig und zeitgenössisch sein

Verkochte Nudeln und pappige Panade sind ganz klassische Kantinen-Klischees und leider zu oft Realität. Naturgemäß setzt der Kostenrahmen Grenzen. Dennoch muss ein Maximum angestrebt werden:

  • Mehrere Speisen bei unterschiedlichen Preiskategorien.
  • Mindestens zwei vollwertige, appetitliche vegetarisch-vegane Alternativen pro Tag. Dadurch bleibt jedem Mitarbeiter die Wahlfreiheit, selbst wenn er oder sie nicht zu den aktuell neun Prozent Vegetariern bzw. drei Prozent Veganern in Deutschland zählt.
  • Kein generelles Streichen typischer ungesunder, aber eben beliebter Speisen à la Currywurst – wenngleich diese Menüs nicht im Fokus stehen sollten.
  • Höchstmögliche Frische: Die beste zeitgenössische Lösung hierfür (sowie viele andere Faktoren des Kantinenbetriebs) können moderne Tiefkühlprodukte sein, da sich dadurch Qualität mit Rationalität verbinden lässt.
  • Kulturell gemischt: In der modernen Kantine dürfen es durchaus regionale Klassiker sein. Ebenso sollten sich dort jedoch eher ungewohnte Köstlichkeiten aus aller Welt finden.
  • Mix-and-Match-tauglich: Starre Menüs, die sich aus unveränderbaren Bestandteilen zusammensetzen, sollte es in einer modernen Kantine ebenfalls nicht geben. Menüs dürfen zwar immer eine Leitlinie sein. Jenseits davon sollte sich jedoch jeder seine Speisen selbst zusammenstellen können – selbst wenn sich dann panierte Chicken Wings den Teller mit Maki-Sushi teilen.

Der Grundgedanke hierbei sollte ganz ähnlich zu demjenigen des Ambientes sein: Ein großes, flexibles Restaurant mit günstigen Preisen.

4. Die Kantine sollte ebenso Café sein können

Die Kantine als ein Ort, der zwar mittags stets gut gefüllt ist, aber vor- und nachher vielleicht sogar geschlossen hat, sollte heute der Vergangenheit angehören. Denn durch die zahlreichen Veränderungen in Unternehmens- und Arbeitskulturen und der Wahrnehmung von Pausen, kommen den Räulichkeiten einer modernen Kantine neue Aufgaben zu. So gibt es in einem modernen Unternehmen tagtäglich unzählige Gelegenheiten, zu denen Menschen zusammenkommen und kommunizieren. Daher sollte die Kantine unbedingt als ein Ort betrachtet werden, der wie kein anderer im Betrieb geeignet ist: Brainstormings bei einer Tasse Kaffee; Networking jenseits der räumlich starren Abteilungsstruktur; persönliche Fokuszeit fernab von Kollegen, um sich ungestört bei einem Kaltgetränk konzentrieren zu können. Hilfreich sind dabei flexibel einteilbare Raum-Sektionen, die je nach Bedarf genutzt werden können.

5. Food Waste sollte clever vermieden werden

Selbst bei einem sehr flexiblen und gut geplanten Betrieb wird sich kaum vermeiden lassen, dass täglich zum Feierabend unverkaufte Speisen und Getränke übrig bleiben. Es gibt jedoch verschiedene gute Optionen, um „Food Waste“ zu vermeiden. So könnten täglich zum Feierabend sogenannte „Doggy Bags“ mit Lebensmitteln zu einem stark reduzierten Preis an die Belegschaft verkauft werden. Alternativ können die Speisen, gegebenenfalls in Kooperation mit lokalen karitativen Einrichtungen, auch an Bedürftige gegeben werden. Zudem könnte das Speisekonzept in einem größeren Rahmen mit Mitarbeitern im Homeoffice kombiniert – hier bieten seit den Lockdowns während der Corona-Pandemie bereits einige Firmen regelrechte Lieferdienste an.

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