In einem Schreiben an die Landtagsabgeordneten der Wahlkreise der Region hat sich die Industrie- und Handelskammer Mittlerer Niederrhein gegen die Erhöhung der fiktiven Hebesätze für die Grund- und Gewerbesteuer im Zuge des Gemeindefinanzierungsgesetzes 2011 ausgesprochen, das derzeit in der Entwurfsfassung vorliegt. „Dies ist für viele Unternehmer eine Steuererhöhung durch die Hintertür“ kritisiert IHK-Präsident Heinz Schmidt: „Gemeinden mit einem Hebesatz unter den Richtwerten für Gewerbe- und Grundsteuer werden ihre Hebesätze anpassen müssen. Wenn sie dies nicht tun, verlieren sie Zuweisungen vom Land.“
Im Jahr 2010 lagen am Mittleren Niederrhein noch sechs Gemeinden unter dem nun geplanten fiktiven Gewerbesteuerhebesatz und 13 Gemeinden unter dem entsprechenden Richtwert für die Grundsteuer B. „In Tönisvorst und Kempen sind bereits zum Jahr 2011 Gewerbesteuererhöhungen beschlossen worden. Wenn der Landtag das Gemeindefinanzierungsgesetz in seiner Entwurfsfassung beschließt, wird das zu weiteren Steuererhöhungen in unserer Region führen“, befürchtet IHK-Präsident Schmidt.
Die Wirtschaft am Niederrhein könnte nach Einschätzung der IHK deutlich stärker von dem Gesetz betroffen sein als in anderen Regionen. „Hier haben sich viele Großhandels- und Logistikunternehmen angesiedelt. Diese Unternehmen benötigen relativ mehr Flächen. Eine Erhöhung der Grundsteuer macht diese Flächen teurer und für Investoren unattraktiver“, betont IHK-Präsident Schmidt. Gleiches gelte auch für flächenintensive Industrieunternehmen, die am Niederrhein überdurchschnittlich häufig vertreten sind.
Daher ist auch der Leiter des Chemparks Dormagen, Dr. Walter Leidinger, besorgt um die Qualität seines Standorts, der viele flächenintensive Industrie- und Logistikbetriebe beheimatet. „Sollte die Erhöhung beschlossen werden und die Stadt den Grundsteuerhebesatz anpassen, wird dies eine Erhöhung von mindestens vier Prozent bedeuten“, erwartet der Chempark-Chef. „Sowohl für die Bestandspflege als auch für das Werben um Neuansiedlungen wäre diese Entwicklung kontraproduktiv.“
Vor allem die geografische Lage des Niederrheins am Rande Nordrhein-Westfalens könnte sich nach Ansicht der IHK bei einer Erhöhung der fiktiven Hebesätze negativ auswirken. Viele Gemeinden im ländlichen Raum hatten bisher versucht, ihre Attraktivität durch niedrige Kosten wie beispielsweise geringere Hebesätze zu erhöhen. In dieser Strategie würden diese Kommunen nun eingeschränkt. In einem grenzüberschreitenden Standortwettbewerb seien künftig die Kosten eines Investments höher im Vergleich zu den benachbarten Niederlanden.
Die Industrie- und Handelskammer appelliert daher an die niederrheinischen Landtagsabgeordneten aller Parteien, „in den parlamentarischen Beratungen die Bedenken der Wirtschaft aufzugreifen und bei der Entscheidungsfindung mit einfließen zu lassen“.